Simona-Grazia Dima

 

Simona-Grazia Dima ist Dichterin, Essayistin, Literaturkritikerin und Übersetzerin. Sie erblickte in einer Temeswarer Schriftstellerfamilie das Licht der Welt. Im zarten Alter von acht Jahren gewann sie mit dem Einakter Masca lui Lică – Licăs Maske einen Wettbewerb des Puppentheaters ihrer Heimatstadt. Das Stück wurde in mehreren Städten Rumäniens wie auch in Italien aufgeführt.

Sie hat an der West-Universität Temeswar Rumänisch und Englisch studiert und als Landesbeste absolviert. Dort war sie auch Vorsitzende des Literaturkreises „Pavel Dan“ und veröffentlicht seither regelmäßig in namhaften rumänischen und ausländischen Zeitschriften. Ihre Gedichte wurden in sieben Sprachen übersetzt. Sie hat bisher zehn Gedichtbände sowie zwei weitere Bücher mit kritischen Essays verfasst.

Simona-Grazia Dima ist Sekretärin des P.E.N.-Zentrums Rumänien und hat ihr Land bei internationalen Kongressen vertreten. Sie wird in einschlägigen Literaturlexika geführt und ihre Lyrik wird regelmäßig in rumänischen und fremdsprachigen Anthologien veröffentlicht. Die Autorin lebt in Bukarest und arbeitet als Redakteurin bei der Rumänischen Akademie.

* * *

 

 JEMAND IM SCHNEE

 
Es schreitet jemand im Schnee, schreitet

strahlend und anonym und hält

einen Verkündigungsstab in den Händen und zähmt

mit anmutiger Kühle die Nacht,

die ihm flammend ins Antlitz bläst;

es ist jemand, der erheitert, erhellt

die Düsterheiten des Jahrhunderts und

aus dem grünen Stanniol klingt wie ein Wald,

in dem du dich verirrst und allwissend

lebst – ohne Schrift,

ohne Gesetze, ohne Alphabet –;

schreitet wolkig, mit dem Geruch von Stapeln

und vollen Regalen, in ausholender Geste

und einer regen, ewiglichen Konversation,

eine große Horde folgt ihm, es tönen Stimmen,

Hundegebell, sie erklingen unter unserem Fenster,

die Schellen an Knöcheln und Flügeln;

sie spritzen uns Champagner ins Gesicht,

darum stürzen wir uns mit so viel Gleichmut

in dankbaren Schlaf,

in der Nacht, die Silber über den

im Krampfschlaf liegenden Tiger schüttet.

 

 

DU

 

Hast mein Wesen so tief ergründet

ich empfinde dich als einen Saft

steigst auf und ab

fließt aus oder ziehst dich zusammen

überall hör ich dein

Wallen – noch tragisch.

Ich halte inne in der Nacht

kann nicht mehr atmen

vermute ein Ende

aber schau ich bin jenseits von ihm

es gibt kein so unansehnliches Getier

wie ich dachte

es sind mehrere Lichter

die ihre Antlitze enthüllen,

in den Speichen der Handflächen

einiger braver Wesen

sprudeln Weinchen

vom Gesetzesgemurmel durchdrungen.

Schneidest, geschickt, zwischen den Knochen

der Ereignisse und schließt

den Tag perfekt ab,

ich warte – jetzt, wenn

ich lediglich dein Minotaurusrauschen vernehme –

dich zu verschlingen, zu verinnerlichen:

Ich werde in deiner Sprache sprechen,

in deinem Gebet beten,

aus deinem Körper schreien,

in deinem Namen,

unverrückbar

vor mir selbst!

 

 

VOM WELTFRIEDEN

 

In Hultyk (der Akademikerstadt), auf den Feldern,

hör ich eine Schnecke stöhnen,

es ist alles was mich interessiert,

ich lasse den Kongress stehen und liegen, das Souper mit den Botschaftern,

und schmiege mein Ohr an die Erde,

um zu hören woher das feine Weinen kommt,

aus welchen Gräsern. Ich werde Ordnung

in diese Wiese bringen, sie alle baden

und ihnen singen, alle Biester sollen in hausgesponnene Seide gehüllt und liebkost werden,

wenn ich das erledige, wird Friede sein

und die Sonne wird scheinen,

erst dann werde ich in den Saal zurückkehren,

um meinen Vortrag weiter zu halten,

aber es steht eine Schokoladefabrik

an dieser Stelle, ich kontaktiere die einstigen Kollegen,

seit langem in Rente, sie erinnern sich allzu gut,

dein Vortrag wurde fehlerfrei vorgetragen,

die Botschafter haben dir die Hand gedrückt.

 

 

ROT IM NEBEL

 

Die Töne sind taub,

der Kämpfer Trompeten schweigen,

in der Ferne verhallt der Galopp.

Die Tapferen atmen keine frische Luft mehr,

Privilegium des Sieges.

Der geplante Kampf fand nicht mehr statt.

Die Konturen scheinen unklar zu sein,

vom Winde verweht sind die Gedanken.

Die Nächte, wilde Wölfe,

mit bitterem Speichel,

heulen im Schatten, wartend.

Wer bist du,

der mit den gesenkten Schultern

von tristen Erinnerungen,

wer bist du, der Verwehte,

doch nicht traurig, nicht beängstigt?

Wer in dir sieht im Nebel das Feuer

und spürt einen Hauch von Glück?

 

 

SACHEN

 

Es sind keine Gegenstände, sie stehen nicht unterjocht,

wir betrachten ängstlich ihre Dinosaurierrücken,

wie viel Gemächlichkeit! Sie haben

nur zu Hause Ruhe, in der Liebe, zum

Konversieren aufgelegt, am Jungbrunnen,

wo sie um deine Liebkosung bitten, um deine Suche

nach neuen Plätzen im Käfig beschwichtigter Unterwassersteine; der Hand wollen sie im Geben helfen,

können aber nicht anders als zusammenzuckend.

Angeschaut, aber nicht ins Herz, revoltieren sie

magmatisch. Du sendest ihnen die Geometrie aus den Augen,

durch einen Tunnel entfernter Kammern,

sie – ruhen am Ende in einem Kristall –

rettendes Ufer für Blick und Reise.

 

 

ABENDKONZERT

 

Und jetzt werden wir von Verunreinigungen

und Ansteckungen reden, vom Aufschieben des Mordes

bis zu seiner Verwandlung in Überfluss,

von allem Selbstvergessenen und

sich von den Rändern Entfernenden,

HERBST werdend,

sagte die Überlebende, Königin

des Oktobers, in der Aula Magna

der Universität Fluida, und las

weiter, bis ihr die Stimme zu versagen schien.

Sie schaukelte in brüderlichem Rhythmus den grünen

Labyrinthwirbel, in der Raummitte, aber kleine Wesen,

eine Unzahl (Elfen? Dachsen?), saugten gierig ihre Wörter,

man demonstrierte köstliche Gleichgewichte

in Schalen und Mörsern, und pfefferminzgleich kam von ganz unten

der erhabene Atem des Minotaurus, der sich freute, dass, ohne berührt noch getötet worden zu sein,

auch er teilnahm, durch die Wand, an der heiligen Musik.

 

 

JUGENDLICHE


Dauernd besudelt,

immerwährend beschmiert

mit Grün,

vergiftet,

belogen mit Wasser

Luft Feuer und Erde,

verkohlt

und stufenweise gekühlt,

versteinert

geschmolzen

in Abflusskanäle gerollt

mit Schmach bedeckt,

immerwährend Jugendlich

 

 

IM SCHICKSALSGEWÄSSER

 

Ich bin die ins Schicksalsgewässer

gemächlich infiltrierte Schlange.

Mein Kopf ist oben, über den Wellen,

mein Schwanz in den Tiefen der Wässer,

meine Schuppen leuchten wie die brennende Fayence

auf dem Dach der Türme.

Mittags, aufrecht (eine Kerze unterdrückten Feuers

im himmlischen Wasser, über Städten), schaue ich aus den Wolken

bis ins Herz der Taten.

Weil es mich dauernd dürstet,

bringen mir Vögel stündlich

einen Humpen Tau.

Ich umarme krummlinig den Ozean

und kein Tropfen rührt sich

ohne mein Wissen:

Ich befehle nicht, betrachte sie nur

und jeder Tropfen gebärt einen Fisch,

der mir fragend in die Augen schaut,

vorbereitet.

 

aus dem Rumänischen von Anton Potche

 

 

EINE FEDER

 

Geliebter Engel, du hast nicht achtgegeben

Auf deine Federn, eine hat er ausgerissen der

Pech Horizont. Sag nicht, es sei nur eine gewesen ganz

Ohne Bedeutung, sie ist so schwer wie eine Kugel die nach Pulver riecht und

Brennt.

Geliebter Engel, du hast es zugelassen, dass sie dir aus-

Gefallen ist und jetzt beschuldigt dich die klingende Sphaäre,

Zornerfüllt dreht sie sich in jenem Zimmer,

Wohin du, scheu, noch keinen Fuss zu setzen wagst. Tritt

Ein und nim sie zu dir, verlier sie nicht mehr

Aus den Augen, du bist der Vater und sie

Die ganze Welt, ein Ort der Feste, wo

Noch ungezählt: Planeten schweben, du aber bist

Inmitten: die königliche Inschrift.

 

 

DIE GEFAHR

 

Im Himmel gibt es Bankette,

Vernehmbar bis zu uns an –

Gestossen das Klingen der Engelsgläser,

Mitgenommen vom Wind verklingend

In der Nacht; (wer aber

Entfernt sich, die Himmels Gerusche

Oder wir?) und unsere Augen wandern

Andauernd aufwärts, hoffend,

Dass wir aufgenommen warden, dort,

Oder wenigstens ein Tropfen fiele herab

Ihres Elixiers. Gleichzeitig aber

Studiert konzentriert und kaltblütig

Eine Ratte die heutigen Börsenkurse.

 

aus dem Rumänischen von Dieter Schlesak

 

http://www.levurelitteraire.com/0NUMERO3/TEXTES/dima5.htm

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